Photographie
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Eröffnung Jörn Michael Licht x Bild, 22.06.13, Petrikirche Freiberg

Bei den Werken, die Jörn Michael ausAnnaberg-Buchholz hier in der Petrikirche präsentiert, handelt es sich um Fotografien, oder wie der Titel schon andeutet: um Lichtbilder. In den Anfangsjahren der Fotografie nannten sich die Fotografen auch noch nicht Fotografen, sondern „Lichtbildner", womit sie den Kern der neuen Technik auch bestens bezeichneten: nämlich mit Licht Bilder zu schaffen. Das ist auch Jörn Michaels Profession. Neben der Fotografie entstehen auch Zeichnungen und Gemälde, Plastiken und Objekte. Einige Dinge konnte er in einer Ausstellung hier vor einigen Jahren vorstellen. Die hier gezeigten Fotografien entstanden teilweise schon vor einigen Jahren, einige erst in jüngster Zeit. Es sind farbintensive, kontrast- und nuancenreiche Werke, die mit konventionellen Vorstellungen von Fotografie nur sehr wenig gemeinsam haben, denn es sind weitgehend gegenstandslose Fotografien. Abstrakte Fotografie. Ist das nicht eigentlich ein Widerspruch in sich? Abstrakte Fotografie. War die Fotografie nicht angetreten, um ein möglichst realitätsgetreues Abbild der Welt zu erzeugen. Denn zunächst ist die Fotografie nichts anderes als eine chemisch-physikalische Spur des Realen. Seit Anfang an wird sie als eine Art „visuelle Vergewisserung" der materiellen Welt verstanden (Fototheoretiker Bernd Stiegler). Damit machte die Fotografie ja sogar der Malerei und allen ihren verwandten Bildtechniken Konkurrenz Ein ungleicher Wettbewerb entfaltete sich: der Fotorealismus etablierte sich als ein Malstil, der teilweise ernst aber auch ironisch gemeint sein konnte. Doch noch heute gilt in vielen Kreisen als ein recht merkwürdiges Qualitätskriterium: „Das ist ja so gut gemalt als wäre fotografiert." Im Umkehrschluss kann man für diese Ausstellung wohl behaupten: „Das ist ja so gut fotografiert als wäre es gemalt." Jörn Michael experimentiert gern mit den Möglichkeiten der Fotografie. Ganz im Sinne der Klassischen Moderne und Fotokünstlern wie Man Ray oder Laszio Moholy-Nagy (Bauhaus), stehen hier andere Ambitionen als in der traditionellen Fotografie im Vordergrund. Hier geht es um Farben, Formen, Strukturen, spezielle Blickwinkel.

Schon im 19. Jahrhundert begannen Fotopioniere damit zu experimentieren, das Unwesentliche eines Bildes auszublenden oder noch weitergehend, die technischen Möglichkeiten der Fotografie so zu nutzen, um Dinge überhaupt oder anders als das menschliche Auge zu sehen und sichtbar zu machen. Des weiteren wurde bewusst die Abbildungsschärte zurückgenommen und eine Unschärfe im Bild herausgearbeitet, die Fotografie in gewisser Weise in den Kunststatus erhob, weil sie sich so von der vermeintlich „kunstlosen" reinen Dokumentarfotografie deutlich unterschied. (Weichzeichner heute als beliebte Funktion im Bildbearbeitungsprogrammen) In Experimenten spielt naturgemäß das geschickte Einbinden des Zufalls immer eine gewisse Rolle - so auch bei der Erzeugung solcher abstrakter Fotografien. So entstanden auch einige der ersten Fotos von Jörn Michael durch Zufälle bzw. nicht intakte Kameras. Später kultivierte er die Methoden, probierte verschiedenes aus, arbeitete mit bewussten Fehlbelichtungen um zu ähnlichen Ergebnissen zu gelangen. Anfangs noch analog entstanden die jüngsten Arbeiten mit einer Digitalkamera u.a. während Theateraufführungen. Hier gab es die richtigen Lichter und Bewegungen für die wunderbar tänzerischen und schwebenden Aufnahmen. Zarte Nebelschleier in Blau und Grau und glühende Explosionen in Rot und Gelb führt er uns ebenso vor, wie einige Arbeiten, die gar nicht so abstrakt sind, wie sie zunächst erscheinen. In zwei blau-schwarzen Werken zeigen sich fantastische Figuren oder Gesichter- eine weitere Spezialität von Jörn Michael, der in den unscheinbarsten Dingen überraschende Physiognomien und Figuren entdecken kann und diese für uns Betrachter herausarbeitet. Diese Art fotografischer Abstraktion führt also zu einem „gesteigerten" oder zu einem „mehr-sehen", wie es Laszio Moholy-Nagy 1936 formulierte. Das Anliegen ist es demnach nicht die Welt realitätsgetreu auf Zelluloid oder ins Datenformat zu bannen (das übernehmen andere Fotografen) sondern neue, ungesehene Welten, eben Licht-Bild-Welten zu schaffen, die unseren Geist anregen, die unsere Augen faszinieren, vielleicht auch ein wenig verführen können. „Deshalb führt jede Abstraktion stets zu einem Zurschaustellen des für wesentlich Erachteten." (Lambert Wiesing, 2005, Professor "Vergleichende Bildtheorie" an der FSU Jena)

AlexanderStoll, 20.06.2013


Mit Realitätsnähe und Objektivität haben die großen, farbintensiven Fotografien von Jörn Michael aus Annaberg-Buchholz nichts gemeinsam. Sein künstlerisches Interesse gilt Farben und Formen, ungewöhnlichen Strukturen, denen er mit den unterschiedlichsten Medien und Materialien zur Geltung verhilft. Von einem Motiv, wie man es in der Fotografie allgemein kennt, kann hier keine Rede sein. Hier wird gar nicht erst durch den Sucher geblickt und auch nicht auf einen Impuls für einen Schnappschuss reagiert. Die Fotografie ist hier eigentlich nur Mittel zum Zweck und sehr nah an abstrakten malerischen Intensionen. Dass die Bilder auf fotografische Weise erzeugt wurden, indem ein Kleinbildfilm – ergo lichtempfindliches Material – unter verschiedenen äußeren Bedingungen dem Licht ausgesetzt wurde, ist fast zweitrangig, aber dennoch Tatsache, die hier nicht verheimlicht werden soll. Jörn Michael experimentiert gern, lässt sich von zufälligen Entdeckungen inspirieren und setzt dann die sich ihm neu eröffneten Möglichkeiten in seiner künstlerischen Arbeit um. Abstrakte Farbflächen haben in der Malerei des 20. Jahrhunderts eine große Tradition. Angefangen von Malewitschs schwarzem Quadrat über Barnett Newman (Gemälde „Who is afraid of red, yellow and blue?") und Mark Rothko bis hin zu dem Münchner Ruprecht Geiger oder zu dem aus dem Vogtland stammenden Gotthard Graubner. Zunächst sind wir konfrontiert mit der äußerst suggestiven Wirkung der Farben. Intensives Rot, kühles Blau (Yves Klein) oder mattes, tiefes Schwarz bewirken jeweils die unterschiedlichsten Atmosphären. Die weichen und verwaschenen Übergänge verleihen den Werken eine Leichtigkeit ohne ins Kraftlose abzudriften. Die Arbeiten sind nicht betitelt, also frei für alle Interpretationsansätze. Neben der reinen Farbwirkung stellen sich mitunter Assoziationen ein. Nahezu ganz von allein sieht man in dem einen oder anderen Landschaften, Wälder oder verschneite Felder mit Raureif. Andere wiederum wecken Erinnerungen an die Faszination von Nord- oder auch von Rotlicht.


Alexander Stoll, 14.8.2009

aus der Laudatio zur Eröffnung der
"Fokussiert" – Ausstellung
im Heinrich-Hartmann-Haus, Oelsnitz
(bezogen auf die ersten sieben Bilder der Galerie)